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Zustand des Unionismus
"Wenn es um Demokratie geht, sind diese Leute noch nicht stubenrein.
Wir benötigen in der Tat das Regionalparlament mit seinen Regeln
und Mechanismen, um denen beizubringen, bei Fuß zu gehen."
Das sagte David Trimble vor ziemlich genau einem Jahr und verglich damit
Sinn Feins gewählte Repräsentanten mit Hunden, nur wenige Tage
nachdem die IRA den festgefahrenen politischen Dialog mit einer von der
Irish Times als "sensationellen Entwicklung" bezeichneten Initiative
wieder in Schwung brachte. Das alles nach zermürbenden Verhandlungen
in Hillsborough im Mai 2000 - die um nichts anderes gingen als das umzusetzen,
was bereits schon einmal Konsens war: die volle Umsetzung des Belfast
Agreement. Die britische Regierung versprach, ihren Verpflichtungen zur
Umsetzung des Patten Reports (zur Polizeireform) und zur Demilitarisierung
bis Juni 2001 nachzukommen.
In einer umstrittenen Entscheidung, die wie Gerry Adams später zugab,
Aktivisten und die republikanische Basis verunsicherte und verärgerte,
gab die IRA bekannt: "Der Inhalt einiger unserer Waffenlager wird
von einer neutralen Instanz, auf die wir uns geeinigt haben, inspiziert.
Die Tatsache, dass eine Inspektion stattgefunden hat, wird dem IICD (International
Independent Commission on Decommissioning) mitgeteilt. Die Lager werden
in regelmäßigen Abständen erneut inspiziert, um zu verifizieren,
dass die Waffen dort sicher verwahrt bleiben."
Die IRA machte klar, dass der Fortschritt in der Frage der Waffen davon
abhänge, dass alle Verhandlungspartner ihren Verpflichtungen nachkommen.
"Die volle Umsetzung der Verpflichtungen, die die beiden Regierungen
eingegangen sind - und hier ist insbesondere die britische Regierung gefordert
- in einer progressiven und irreversiblen Weise, wird den politischen
Kontext für einen dauerhaften politischen Prozess bilden, der das
Potential hat, die Ursachen des Konflikts zu beseitigen und in dem irische
Republikaner und Unionisten gleichberechtigt und friedlich unsere jeweiligen
Ziele verfolgen können. In diesem Kontext wird die IRA einen Prozess
starten, ihre Waffen vollständig und verifizierbar unbrauchbar zu
machen."
Daraufhin wurde Regionalparlament und Regionalregierung wieder eingesetzt
und die lokalen Politiker machten sich wieder an ihre Arbeit. Die Probleme
begannen erneut, als der Staatssekretär Peter Mandelson am 17. Mai
im Unterhaus verkündete, er habe vor, den Namen der RUC in die Titelbezeichnung
des neuen Polizeiservices zu übernehmen, und er im weiteren Verlauf
die Kernstücke des Pattenreports, der als Signal für einen Neuanfang
der Polizei gedacht war, ihrer Substanz beraubte. Republikaner warnten
Tony Blair immer und immer wieder, dass dies ein Bruch des Kontextes war,
für den die IRA ihre Versprechungen abgegeben hatte. Die einzige
Antwort, die zurückkam, war, der arme David braucht unsere Hilfe.
Im Oktober letzten Jahres schloß David Trimble die zwei Sinn Fein
Minister Martin McGuinness und Bairbre de Brun von der Teilnahme an den
Nord/Süd-Ministertreffen aus, ein Ausschluß, der immer noch
aufrecht erhalten wird, obwohl er für gesetzeswidrig erklärt
wurde. Im Dezember und im März forderte die IRA die britische Regierung
auf, sich an das Abkommen zu halten. Diese Warnungen wurden allerdings
nie mit der gleichen Ernsthaftigkeit behandelt, wie David Trimbles dauernde
Drohungen, als erster Minister zurückzutreten, falls die IRA nicht
mit der Entwaffnung beginne. Die letzte dieser Drohungen war Auftakt zu
den allgemeinen Wahlen. Und so hat sich Tarzan den Termin selbst gesetzt,
den 1. Juli, und schwingt sich davon, Daphne an seiner Seite.
Unionisten benutzten die Forderung nach Entwaffnung zum ersten Mal bei
Beginn des Waffenstillstands der IRA 1994 und haben sie dann als Mittel
gesehen, Sinn Fein von den Verhandlungen fernzuhalten, so wie sie es jetzt
als Mittel sehen, Sinn Fein aus der Regionalregierung herauszuhalten.
Sie haben Entwaffnung zum Synonym für eine IRA Niederlage und Kapitulation
gemacht. Jede Geste der IRA zur Unterstützung des Friedensprozesses
wurde zurückgewiesen oder in Frage gestellt.
Die IRA hat stolze Mitglieder. Unionisten haben es de facto schwerer
für die IRA gemacht, ihre Waffen unbrauchbar zu machen. Und natürlich
sind unionistische Doppelstandards atemberaubend. Loyalisten ermorden
Katholiken, brennen Kirchen nieder, werfen Bomben auf von Katholiken bewohnte
Häuser, überfallen katholische Bezirke, hindern Kinder daran,
in die Schule zu gehen, bauen neue Rohrbomben und andere Sprengstoffe,
aber für David Trimble sind einzig und allein die unbenutzten Waffen
der IRA Anlass zur Sorge. Wann hat sich David Trimble das letzte Mal mit
der UDA und der UVF getroffen, um Entwaffnung zu diskutieren? Wann das
erste Mal?
Die irische Bevölkerung, Nord wie Süd, hat in Referenden mit
überwältigender Mehrheit für das Belfaster Abkommen gestimmt.
David Trimble jedoch verzögerte die Bildung der Regionalregierung
um 18 Monate, nur um sie mit Unterstützung von Peter Mandelson nach
wenig über 70 Tagen durch seine Rücktrittsdrohung wieder aufzulösen.
Unterdessen förderte seine Verzögerungstaktik das Wachstum republikanischer
Dissidenten. Er hatte eine glänzende Gelegenheit, den Friedensprozess
und den politischen Prozess voranzubringen, als im Sommer 1998 beide Bevölkerungsgruppen
geeint waren im Abscheu vor dem Mord an den Quinn Kindern, die in ihrem
Haus verbrannten, und der Bombe in Omagh. Stattdessen attackierte er in
seiner ersten grossen Rede nach diesen entsetzlichen Ereignissen die IRA
wegen der Entwaffnungsfrage.
Im Belfast Agreement versprachen "alle Unterzeichner, jedweden Einfluss,
den sie haben, zu nutzen, um die Entwaffnung aller paramilitärischer
Waffen innerhalb von zwei Jahren nach Bestätigung des Abkommens durch
Referenden Nord und Süd und im Kontext des Abkommens zu erreichen."
Im Kontext des Abkommens. Das war das Abkommen, das die Briten nicht
gehalten haben, weil sie Unionisten mit ihrem Widerstand gegen Änderungen
und Reform gewähren ließen. Die Waffen der IRA sind nicht das
wirkliche Thema. Das wirkliche Thema ist die Schwierigkeit der Unionisten,
Polizei, Macht und Frieden mit Republikanern und Nationalisten zu teilen.
Weil dies die grosse Frage aufwirft: was soll ein Staat Nordirland überhaupt?
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