Die folgende Rede hielt Sinn Féin Präsident Gerry Adams am
6. April in Belfast:
Gerry Adams - an die IRA
"Ich wende mich direkt an die Männer und Frauen von Oglaigh
na hEireann, die freiwilligen Soldaten der Irisch Republikanischen Armee.
In Zeiten grosser Gefahr wart ihr bereit, Bearna Baoil, Gefahr und Ungewissheit,
auf Euch zu nehmen. Als andere abwartend an der Seite standen, gabt Ihr
und Euere Familien alles, zur Verteidigung eines Volkes, das sich erhoben
hat, und um irische Freiheit und Einheit zu erreichen.
Ihr habt grosse Schwierigkeiten gemeistert und einen gewaltigen militärischen
Gegner niedergerungen, die britischen Streitkräfte und ihre Helfershelfer
in den unionistischen Todesschwadronen.
Vor elf Jahren ordnete die Führung der Armee einen vollständigen
Waffenstillstand an. Diese mutige Entscheidung kam als Antwort auf die
Vorschläge der Sinn Féin Führung, einen Friedensprozess
aufzubauen, demokratische Politik zu entwickeln und einen dauerhaften
Frieden zu erreichen.
Seither hat der Waffenstillstand trotz vieler Provokationen und Rückschläge
gehalten.
Und als Teile des britischen und irischen Establishments und des rückwärtsgewandten
Unionismus versuchten, den Fortschritt zu verzögeren, war es die
IRA Führung, die eine Anzahl an signifikanten Initiativen authorisierte,
um den Friedensprozess voranzutreiben.
Mehrfach wurden Versprechen gebrochen. Damit meine ich auch Versprechen
der beiden Regierungen.
Die Irisch Republikanische Armee hat jedes ihrer Versprechen gehalten.
Das jüngste Versprechen ist vom letzten Dezember, als die IRA bereit
war, ein abschliessendes Abkommen über alle offenen Themen zu unterstützen.
Damals sagte die Armeeführung, dass die Umsetzung dieses Abkommens
jedem - die IRA eingeschlossen - erlauben würde, die jeweiligen politischen
Ziele mit friedlichen und demokratischen Mitteln zu erreichen.
Dieses Abkommen zerschellte am Fels unionistischer Unnachgiebigkeit.
Die Kurzsichtigkeit der beiden Regierungen verstärkte die Schwierigkeiten.
Seither gab es eine Kampagne voller böswilliger Unterstellungen
gegen Republikaner. Die irische Regierung trug dafür die hauptsächliche
Verantwortung. Es gibt eine Reihe an Gründen dafür. Der wachsende
Einfluss von Sinn Fein ist der wichtigste Grund. Die Unionisten haben
ihre eigenen Gründe. Sie wollen das Potential für Veränderungen
möglichst gering halten. Das betrifft nicht nur die Forderung nach
Gleichheit, sondern auch die Themen Souveränität und ein Ende
der Union (mit Grossbritannien).
Die IRA wurde von diesen Leuten immer wieder als Ausrede benutzt, warum
sie nicht in ernsthafter Weise an dem Prozess mitarbeiten, Frieden mit
Gerechtigkeit in Irland zu erreichen.
Über mehr als 30 Jahre zeigte die IRA der britischen Regierung,
dass sie Irland nicht nach ihren Regeln regieren konnte.Ihr habt das Recht
der Menschen in diesem Land auf Freiheit und Unabhängigkeit fest
verankert. Viele Eurer Kameraden brachten das höchste Opfer. Euere
Bestimmtheit, Selbstlosigkeit und Euer Mut brachten den Freiheitskampf
zu einem entscheidenden Höhepunkt. Dieser Kampf kann nun mit anderen
Mitteln weitergeführt werden. Ich sage dies mit der Authorität
meines Amtes als Präsident von Sinn Fein.
In der Vergangenheit habe ich das Recht der IRA auf bewaffneten Kampf
verteidigt. Ich tat dies deshalb, weil keine Alternative für die
existierte, die nicht das Knie beugen und der Unterdrückung schweigend
zusehen wollten oder die für eine nationale Republik eintraten.
Nun gibt es eine Alternative.
Was ist diese Alternative? Meine Haltung dazu ist klar. Der richtige
Weg ist, irlandweit politische Unterstützung für unsere republikanischen
und demokratischen Ziele zu erreichen und auch internationale Unterstützung
zu gewinnen.
Ich möchte diese Gelegenheit dazu benutzen, an die Führung
von Oglaigh na hEireann zu appellieren, diese Alternative anzuerkennen
und zu akzeptieren.
Seid Ihr bereit, mutige Schritte einzuleiten, die Euch erlauben, Euere
Ziele künftig ausschliesslich durch politische und demokratische
Aktivitäten zu erreichen?
Ich bin mir bewusst, dass solche wirklich historischen Entscheidungen
nur als Folge einer intensiven internen Diskussion getroffen werden können.
Ich bitte euch darum, diesen Prozess so schnell wie möglich zu beginnen.
Ich weiss, dass der jüngste positive Beitrag der IRA zum Friedensprozess
im Context eines umfassenden Abkommens erfolgte. Aber ich habe die feste
Überzeugung, dass Republikaner durch ihr Beispiel vorangehen und
leiten müssen. Es gibt kein besseres Beispiel hierfür als den
Waffenstillstand der IRA im Sommer 1994.
Sinn Fein hat ihre Fähigkeit demonstriert, Teil einer Volksbewegung
für Frieden, Gleichheit und Gerechtigkeit zu sein und eine führende
Rolle in dieser Bewegung einzunehmen. Wir sind zutiefst entschlossen,
die Spaltung unseres Landes zu überwinden und die Bedingungen für
Einheit und Unabhängigkeit zu schaffen. Sinn Fein hat das Potenzial
und die Kapazität, das Mittel dafür zu werden, die republikanischen
Ziele zu erreichen.
Das Irland von heute unterscheidet sich grundlegend vom dem vor 15 Jahren.
Es gibt mittlerweile eine gesamtirische Agenda mit grossen Möglichkeiten.
Nationalisten und Republikaner haben ein Selbstvertrauen erlangt, das
keinem mehr erlaubt, sie als Bürger zweiter Klasse zu behandeln.
Gleichheit ist unsere Losung. Der Katalysator für grosse Teile dieser
Veränderungen ist die wachsende Unterstützung für den Republikanismus.
Natürlich geben diejenigen, die Änderungen bekämpfen,
nicht einfach auf. Es wird jeden Tag einen neuen Kampf geben zwischen
denen, die ein Maximum an Veränderung wollen und denen, die auf dem
Status Quo beharren. Aber wenn Republikaner gewinnen wollen, wenn der
Friedensprozess erfolgreich abgeschlossen werden soll und irische Souverenität
und Wiedervereinigung gesichert werden sollen, dann müssen wir die
Agenda hierfür definieren - kein anderer wird das sonst tun.
Ich möchte ausserdem einen persönlichen Appell an euch alle
richten - an die Frauen und Männer der IRA, die gegen eine riesige
Übermacht antraten und nicht besiegt werden konnten.
Es ist an der Zeit für Euch, erneut Bearna Baoil, Gefahr und Ungewissheit,
auf Euch zu nehmen; nicht als Freiwillige der IRA, die dabei ihr Leben
und ihre körperliche Unversehrtheit einsetzen, sondern als Aktivisten
einer nationalen Bewegung für Unabhängigkeit und Einheit.
Eine solche Entscheidung hat weitreichende Konsequenzen und ist schwierig.
Aber Euch hat in der Vergangenheit noch nie der Mut gefehlt. Euer Mut
wird nun für die Zukunft benötigt.
Es ist kein einfacher Weg. Es gibt eine Menge Probleme, die die Menschen
in Irland bewältigen müssen. Euere Fähigkeit als republikanische
Kämpfer, Euch diesen Herausforderungen zu stellen, führt dazu,
dass die beiden Regierungen und auch andere sich nicht mehr einfach vor
ihren Verpflichtungen drücken können und sich ihrer Verantwortung
stellen müssen, die Probleme zu lösen.
Unser Kampf hat einen entscheidenden Punkt erreicht.
Ich bitte Euch, mit mir gemeinsam die Initiative zu ergreifen, unsere
Anstrengungen zu intensivieren, den Friedensprozess wieder aufzubauen
und unseren Kampf entschlussfreudig voranzubringen."
Übersetzung: Uschi Grandel, http://www.info-nordirland.de/, 7. April
2005
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