Irisch Republikanische Solidarität








TC

Ralph T. Niemeyer, Strasbourg



EU droht Sinn Féin



Anhaltende Blockade des nordirischen Friedensprozesses. Druck auf Linkskräfte nimmt zu

Der ehemalige nordirische Regierungschef David Trimble. nutzte die Verkündung seines Rücktritts vom Vorsitz der moderaten Loyalisten Ulster Unionist Party (UUP) Anfang der Woche für zwei Feststellungen. Erstens seien die politischen Gegner an der herben Niederlage seiner Partei bei den britischen Unterhauswahlen in der vergangenen Woche schuld, allen voran die linken Republikaner von Sinn Féin. Diese hätten ihm das Leben schwergemacht, indem sie nicht genügend auf die angeblich von ihnen kontrollierte Untergrundorganisation IRA (Irisch-Republikanische Armee) eingewirkt hätten, sich am Friedensprozeß zu beteiligen.


Kandidatur in Irland

Hier übersieht der ehemalige »Erste Minister« freilich, daß sein eigenes Lager durch gezielte Provokationen wie die Verweigerung einer Zusammenarbeit mit Sinn Féin einen großen Anteil an dem Stillstand des Friedensprozesses hat. Als Begründung dafür diente ein bislang unaufgeklärter 42 Millionen-Euro-Bankraub Ende 2004, der der IRA zugeschrieben wurde, sowie der Mord an einem Belfaster Familienvater, Robert McCartney, am 30. Januar diesen Jahres. Obwohl es keinerlei Beweise für eine Verstrickung der IRA oder gar von Sinn-Féin-Mitgliedern gibt, leistet nicht zuletzt die von Trimbles politischem Lager betriebene Vorverurteilung der Blockadehaltung seitens der probritischen Rechten Vorschub. Diese verbuchten mit ihrer Democratic Unionist Party (DUP) unter dem radikalen Priester Ian Paisley bei den Wahlen starke Gewinne. Also könnte David Trimble mit seiner zweiten Feststellung, wonach auf längere Zeit der Friedensprozeß lahmgelegt sein dürfte, richtig liegen.

Derweil strebt Sinn Féin, deren Abgeordnete durchweg in Arbeitermilieus und sozialen Brennpunkten breite Zustimmung finden, als einzige Partei aus dem Norden die Ausdehnung auf die Republik Irland an. Erstmals stellt sie seit den EU-Wahlen im Juni 2004 zwei der 18 irischen Abgeordneten. Und auch bei den im nächsten Jahr stattfindenden allgemeinen Parlamentswahlen in der Republik Irland wird die Partei antreten – und das keinesfalls ohne Chancen: Die tiefe soziale Spaltung, forciert durch die im Zuge des »Celtic Tiger«-Wirtschaftsbooms gewachsenen ungleichen Einkommens- und Vermögensverteilungen, wird von der Mitte-Rechts-Regierung von Ministerpräsident Bertie Ahern verantwortet. Aus deren Sicht – und aus Sicht aller beteiligten Machterhaltungsstrategen – besteht folglich dringend Handlungsbedarf.


Der Fall McCartney

Und also wird seit dem Mord an Robert McCartney Ende Januar Druck auf Sinn Féin mit der Begründung ausgeübt, sie hätte Einfluß auf die IRA. Die Angehörigen des Ermordeten sprechen zwar von einer kriminellen Tat ohne politischen Hintergrund, doch wurden sie nicht nur von US-Präsident George Bush empfangen, sondern am Montag dieser Woche auch im Europaparlament zu Strasbourg. Dieses beschloß dann am Dienstag eine Resolution, die zwar in der Hauptsache den Hinterbliebenen Prozeßkostenhilfe zuspricht, doch zugleich das Thema Sinn Féin in den Blickpunkt rückt. Deren Führung habe »die für die Ermordung Verantwortlichen oder irgendwelche Zeugen des Mordes ... nicht aufgefordert, umfassend und direkt mit der Polizei in Nordirland zusammenzuarbeiten«.


Parlamentsbeschluß

In seiner mit 555 Stimmen bei nur vier Gegenvoten und 48 Enthaltungen verabschiedeten Resolution werden also IRA und Sinn Féin in einen Topf geworfen und die Partei indirekt einer »Unterstützung des Terrorismus« bezichtigt. Bewirkt werden soll offensichtlich eine Diskreditierung Sinn Féins in Nordirland. Klargemacht wird außerdem, daß eine Partei, die in irgendeiner Weise Kontakte zu einer bewaffneten Gruppe oder Bewegung unterhält, rasch in die Illegalität geraten kann.

Der erste Schritt zu Sanktionen gegen Sinn Féin ist mit der Entschließung des Parlaments in Strasbourg getan. Dessen Präsidium kann nun wesentlich einfacher Druck auf die Partei ausüben, indem zum Beispiel Reisekosten nicht mehr erstattet werden und andere Mittel gekürzt werden. Die Arbeit der beiden Sinn-Féin-Europaabgeordneten Marylu McDonell und Bairbre de Brun wäre stark behindert. Die Position von Gerry Adams, der erst kürzlich die IRA zum absoluten Gewaltverzicht aufgefordert hatte, wäre unterminiert. Der Friedensprozeß in Nordirland macht dank der EU weitere Rückschritte.

Letzte Änderung:
28-Mai-05