Irisch Republikanische Solidarität








TC

05.09.2003, jw

Kommentar
Werner Pirker



Der Dorfschulze



Abbas hat gegen Arafat keine Chance

Über den Ausgang des Machtkampfes zwischen dem palästinensischen Präsidenten Yassir Arafat und dem Regierungschef in Ramallah, Mahmut Abbas, kann es keinen Zweifel geben. Denn Arafat hat ihn bereits gewonnen. Seit der Zeit, als die PLO ausschließlich eine nationale Befreiungsbewegung war und keine Behörde mit von Israel definierten Funktionen, war »Abu Amar« nicht mehr so populär, so unumstritten wie in diesen Tagen. Denn in der Person Arafats verteidigen die Palästinenser ihr Recht auf eine selbstbestimmte Entwicklung.

Yassir Arafat verkörpert den Emanzipationskampf des arabischen Volkes von Palästina in all seinen Etappen und in seiner ganzen Widersprüchlichkeit. Sein Aufstieg erfolgte nach der Juniniederlage der arabischen Armeen 1967, als sich die PLO aus der engen Abhängigkeit von den arabischen Staaten löste und zu einem eigenständigen Faktor in der Weltpolitik wurde. In seinem Wesen ein konservativer Nationalist, personifizierte Arafat den nationalen Konsens, der im Laufe der Jahre unterschiedliche Auslegungsformen annahm: Von der kategorischen Verneinung des Existenzrechtes des zionistischen Staates bis zur Zweistaatenlösung. Sein Name steht ebenso für kleinbürgerliche Radikalität wie für kleinbürgerliche Inkonsequenz, für den Demokratismus der PLO als Befreiungsbewegung wie für das autokratische Regime in den Autonomiegebieten. Seine Behörde in Ramallah bildete den Nährboden für Korruption und Entdemokratisierung. Dieser heute von Israel scheinheilig beklagte Umstand war durchaus beabsichtigt: die Zersetzung des palästinensischen Widerstandes durch die Korrumpierung seiner Führung. Den größten Korruptionsskandal, auf den die palästinensische Bourgeoisie zusteuerte, den finalen Ausverkauf des nationalen Selbstbestimmungsrechtes durch die Hinnahme des israelischen Bantustan-Modells für Palästina, verhinderte Yassir Arafat. Wissend, daß dies ohne Bürgerkrieg nicht durchzusetzen gewesen wäre. Wissend aber auch, daß zwischen den elementarsten nationalen Rechten der Palästinenser und dem zionistischen Herrschaftssystem ein antagonistischer Widerspruch besteht, der sich nur bei Strafe des Untergangs ignorieren läßt.

Abu Mazen hatte den Kampf gegen Abu Amar bereits verloren, als ihn die USA und Israel als Premier nominierten. Denn nichts läuft den demokratischen Bestrebungen des palästinensischen Volkes mehr zuwider als die Herstellung eines »demokratischen Systems« ausländischer Herkunft. Daß die USA und Israel eine Abwahl des Premiers durch das Parlament nicht hinnehmen wollen, zeugt allein schon vom Charakter der Demokratie, die sie meinen. So wird sich Mahmut Abbas in künftigen historischen Abhandlungen wohl mit der Rolle eines Dorfschulzen von Ramallah zufriedengeben müssen.

Letzte Änderung:
06-Sept-03