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Stellungnahme von FSF (Freundeskreis Sinn Fein Bamberg/Lichtenfels)
zur momentanen Krise im Friedensprozess
Unsere Erwartungen an Oglaigh na hEireann (IRA) und Sinn Fein werden
weiterhin erfüllt. Es zeigt sich deutlich, wer Stifter der momentanen
Unruhen und verantwortlich für das Steckenbleiben des Friedensprozesses
ist.
Der Unterschied in den Friedensbemühungen, zwischen Oglaigh na hEireann
und Sinn Fein auf der einen und der britischen Regierung und den Unionisten
auf der anderen Seite, lässt sich hierbei an folgenden Punkten aufzeigen:
die IRA hat mit ihrem Schritt, ihre Waffenlager von einer unabhängigien
Kommission inspektieren zu lassen, ihre Möglichkeit an Kooperation
geleistet und die im Mai gegebene Verpflichtung erfüllt. In Ihrer
Stellungnahme vom 5. Dezember versicherte Oglaigh na hEireann, sie wolle
weiterhin zum Gelingen des Karfreitagabkommens und zur Lösung der
Waffenfrage beitragen. Man beendet das Statement mit den Worten: "Die
IRA kam allem ihren Verpflichtungen nach und wird dies auch künftig
tun" (siehe IRA-Stellungnahme).
Das Einzige was die britische Regierung im letzten halben Jahr bezüglich
des Friedensabkommens erreicht hat, ist weitere Unsicherheit zu schaffen,
und das Vertrauen, das vom Grossteil der sowohl irischen, als auch britischen
Bevölkerung in das Karfreitagsabkommen gelegt wurde, auf ein absolutes
Minimum zu reduzieren.
Die britische Regierung hat ohne Zweifel Ihr Wort gebrochen. Obiges Zugeständnis
der IRA war in gegenseitigem Einverständnis an die vollständige
Umsetzung der Polizeireform nach dem Patten-Plan gebunden. Selbst nach
diesem Reformvorschlag würde noch in 10 Jahren eine Konstellation
von 7:3 "zu Gunsten" der Protestanten in einer neuen Polizei
bestehen. Der Plan wurde trotz dieser Mangelhaftigkeit als Minimalziel
von den Republikanern angenommen.
Was Mandelson von dieser Reform übrig lässt, kann schlicht als
Vergewaltigung eines Kompromisses aufgefasst werden.
Die britische Regierung und die Unionisten müssen ein für allemal
internalisieren dass es sich um einen Friedensprozeß und nicht um
einen Prozeß einer einseitigen Kapitulation Seitens der IRA handelt.
Diese hat oftmals wiederholt, dass man sich weder von der britischen Regierung
noch den Unionisten die Art und Weise diktieren lässt, wie und wann
welche Schritte bzgl. der Lösung der Waffenfrage getan werden müssten.
Weitere "Zugeständnisse" Seitens der IRA werden auch wegen
der fortwährenden loyalistischen Gewalt gegen die eigene "community"
aber auch gegen die pro-irische Bevölkerung unmöglich gemacht.
Loyalistische Untergrundorganisation waren in diesem Jahr für fast
1000 sektiererische Übergriffe, mittlerweile 10 Tote und zahlreiche
Verletzte verantwortlich.
Die Waffen der IRA sind demgegenüber außer Gebrauch. Die IRA
hält sich vorbildlich an den Waffenstillstand.
Was dem Friedensprozess fehlt, ist, dass genau so grosse Bereitschaft
von Seiten der britischen Regierung, v.a. in Sachen Patten, und den Unionisten
gezeigt wird.
Auch Letztere tragen durch Ihre erneute Blockadepolitik, diesmal in bezug
auf den "Nord-Süd-Rat", große Schuld am stockenden
Friedensprozeß. Trimble kündigte an sich zu weigern, zwei Sinn
Fein-Minister als Partizipanten an dieser Institution zu akzeptieren.
Damit stellt man sich wieder gegen das demokratische Votum der Bevölkerung
im Norden und Süden, da dies Teil des GFA (Good Friday Agreement)
ist, und beweist, dass man keineswegs die Minorität als gleichberechtigt
ansieht.
Der Friedensnobelpreisträger Trimble, der immer mehr zum Zerstörer
eines (ursprünglich) auf Gleichheit basierenden Friedensprozesses
avanciert, erweist sich darüber hinaus mittlerweile als Komödiant.
In einer Rede im Unterhaus bezeichnete er das im Patten-Bericht festgeschriebene
Vorhaben einer paritätischen (50% Katholiken; 50% Protestanten) Einstellung
in eine neue Polizei als "gegen die Menschenrechte verstoßend"
(Polizereform beeindruckt niemanden).
Nicht das Ersetzen einer einseitig agierenden loyalistischen Schlägertruppe,
welche für die Ermordung dutzender Katholiken, zum größten
Teil unbewaffnete Zivilisten, für jährlich ca. 5000 Menschenrechtsverletzungen
und für eine dreißigjährige Kooperation mit loyalistisch-rechtsextremen
Todesschwadronen verantwortlich ist, widerspricht den Menschenrechten,
sondern das Festhalten an dieser sektiererischen Organisation.
FSF begrüsst und respektiert die fortwährenden, vorbildlichen
Friedensbemühungen der demokratisch-sozialistischen Partei Sinn Fein.
Diese hat stets auf der Grundlage des GFA agiert und niemals einzelne
Punkte als Vorbedingung für andere herausgegriffen. Sinn Fein hat
das Risiko auf sich genommen, selbst für problematische Kompromisse
wie dem Patten-Bericht in der republikanischen Bevölkerung zu werben
und Mehrheiten zu finden, wobei, wie die neueste Entwicklung zeigt, dieses
Engagement sowohl von medialer Seite als auch der britischen Regierung
auf äußerst arrogante Weise ignoriert wurde. Trotz der Geschehnisse
der letzten Wochen ( siehe hierzu den Artikel "Sektiererische
Mörder kehren zurück") zeigt man weiterhin Bereitschaft,
bzw. sieht es als selbstverständlich an, mit all den involvierten
Parteien in direkter Kommunikation zu bleiben.
Es ist ausdrücklich die Intention von FSF, diese Aspekte zu verdeutlichen,
zumal der Konflikt um die Umsetzung des Karfreitagabkommens wieder einmal
von den einschlägigen Medien total missachtet wird. Wir alle kennen
das Problem der Nachrichtenübertragungen bereits zu gut: man bringt
gerne Bilder von der eskalierenden Gewalt im Norden Irlands. Der politische
Diskurs hingegen scheint von geringem Interesse.
Bricht jedoch die politische Diskussion zwischen den Parteien erneut ab,
kann man davon ausgehen, dass alle Hoffnungen auf Frieden und Demokratie,
die jeder einzelne von uns hegt, endgültig begraben werden.
Wir befinden uns an einem sehr kritischen Punkt: sollten die Unionisten
ihre herablassende, rassistische Haltung gegenüber den pro-Iren,
die britische Regierung die intendierte, völlig unzureichende RUC-Umstrukturierung
nicht rapide ändern, sehen zumindest wir von FSF die Friedensbemühungen
als "quasi-gescheitert" an.
Nationalisten aus allen Gruppierungen tun nach wie vor alles, was in ihrer
Macht steht, um dieser Katastrophe entgegenzuwirken. Es wird jedoch wirklich
allerhöchste Zeit für Tony Blair und seinen Leuten, ihren Teil
der Verantwortung zu übernehmen, nämlich die Voraussetzungen
zu schaffen, die im Karfreitagsabkommen festgelegt wurden: RUC-Reform,
Demilitarisierung, Gleichberichtigung.
Wir hoffen, dass die republikanisch-sozialistische Bewegung sich in ihren
Friedensbemühungen nicht von der arroganten Politik und Einstellung
Ihrer Gegenüber entmutigen lässt und dass die Irland-Solidarität
sich vereint gegen jene, die für die Aufrechterhaltung des sektiererischen
Staates Nordirland eintreten, stellt.
FSF Bamberg/Lichtenfels, 13.12.00
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