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Die mediale Verzerrung der Realität am Beispiel des Nordirlandkonfliktes
In diesem Artikel soll der Unterschied zwischen der Realität
und der Medienrealität beispielhaft dargestellt werden. Grundlage
bildet ein Artikel von Stefan Klein in der Süddeutschen Zeitung.
Im Artikel "Votum gegen den Frieden" vom 11.06. konkludiert
Stefan Klein, dass die Wahlerfolge der DUP und von Sinn Fein im Norden
Irlands eine Gefahr für den Friedensprozeß sind. Die Zugewinne
der beiden Parteien gleichzusetzen ist absurd. Um dies zu erläutern
muss man sich vor Augen halten, um was es sich beim Nordirlandkonflikt
handelt, nämlich um einen politischen Konflikt zwischen Kollektiven
unterschiedlicher Identität, zwischen (Pro-) Iren und (Pro-) Briten.
Die Pro-Iren (primär katholisch) werden von der sozialdemokratischen
SDLP und der demokratisch-sozialistischen Partei Sinn Fein repräsentiert.
Beide unterstützen den Friedensprozeß und setzen sich für
die vollständige Implemtierung des Karfeitagsabkommens ein.
Sinn Fein hat hierbei früh erkannt, dass die Hauptgründe für
den Nordirlandkonflikt im Staat selbst liegen. Alle staatstragenden Institutionen,
wie Polizei- und Justizwesen, werden von den (pro-) britischen Unionisten
dominiert.
Darüber hinaus sind immer noch über 10.000 britische Soldaten,
die ihrerseits alles andere als neutral sind und die katholischen Viertel
weiterhin penetrieren und observieren, stationiert. Während Sinn
Fein sich bspw. vehement für eine Reformation der sektiererischen
"Polizei" RUC, einen Abzug der britischen Armee und Maßnahmen
die die Gleichberechtigung zwischen den beiden Identitäten sichern
sollen, einsetzt, wurden solche friedensbringenden Maßnahmen in
der Politik der SDLP weitgehend ausgeklammert. Beim Votum für das
Westminster-Parlament und den Regionalwahlen wurde diese Ignoranz von
den Wählern sanktioniert. Der Wahlsieg von Sinn Fein ist demzufolge
alles andere als ein Problem für den Friedensprozeß. Er wird
diesen vorantreiben.
Der Wahlsieg der rechtsextremen DUP, eine Partei die bspw. die Todesstrafe
für IRA-Mitglieder fordert und Homosexualität sanktionieren
will, ist demgegenüber tatsächlich problematisch für den
Friedensprozeß. Sie lehnt diesen kategorisch ab. Doch auch in der
von Klein als gemäßigt bezeichneten UUP gibt es eine nicht
zu unterschätzende Anzahl von "No-Men", also von Politikern
die gegen das "Good Friday Agreement" (GFA) sind. Auch die potentiellen
Befürworter wie David Trimble akzeptieren keineswegs den gesamten
Vertrag.
Darin, dass unionistische Spitzenpolitiker keine oder kaum Überzeugungsarbeit
für das Abkommen bei den (Pro-) Briten geleistet haben und Teile
des GFA instrumentalisieren (wie eben die Entwaffnung der IRA) um andere
zu blockieren (bspw. den Nord-Süd-Ministerrat) liegen die Gründe,
dass der Friedensprozess stockt. Diese ambivalente Haltung war und ist
ein gefundenes Fressen für die Gegner im eigenen Lager. Nur dadurch
konnte die DUP einen deartigen Wahlerfolg erzielen.
Auch was Herr Klein zur oben aufgeführten Entwaffnungsfrage schreibt,
ist definitiv unwahr. Er merkt an: "...obwohl die IRA entgegen ihren
Zusagen immer noch nicht damit begonnen hat, ihre Waffenarsenale zu vernichten."
Die Verpflichtung, welche die IRA im Mai 2000 IRA gegeben hat, war das
Zugeständnis, dass einige Ihrer Waffenlager von einer unabhängigen
Kommission kontrolliert werden.
Diese Kontrolle ist mittlerweile dreimal wiederholt worden. Zum letzten
mal
vor ca. zwei Wochen. Die Kommission unter Vorsitz von Martti Ahtisaari
and Cyril
Ramaphosa schrieb dazu: "Die IRA hat erneut ihre Zugeständnisse
vollständig erfüllt."
Weiterhin ist die IRA die einzige Untergrundorganisation, die ihren Waffenstillstand
einhält (UDA und UVF waren im Jahr 2000 für ca. 1000 sektiererische
Übergriffe auf die irische "community" verantwortlich;
außerdem lassen sie ihre Lager nicht kontrollieren).
Verfälschende Berichte wie jener von Herrn Klein implizieren eine
Legitimation des institutionalisierten Rassismus im Norden Irlands, der
sich klar gegen
die irische "community", richtet. Er äußert sich
neben dem oben Dargestellten bspw. in der Todesschußpolitik der
britischen Armee und der sektiererischen RUC (die sogenannten Sicherheitskräfte
sind für ca. 450 Morde verantwortlich, über 90% nicht involvierte
Zivilisten), in der Zusammenarbeit der sogenannten Sicherheitskräfte
und den rechtsextremen Organisationen UDA und UVF (britische Armee hat
diese bspw. mit Waffen beliefert).
Vielleicht sollte sich Herr Klein die Situation vor Ort anschauen und
mit Repräsentanten der einzelnen Parteien reden, damit zu einer professionelleren
Berichterstattung über gegangen werden kann.
Ich bin der Meinung dass viele Konflikte nicht mehr bestehen würden,
wenn sich Journalisten vom Medientenor abkapseln und eigenständig
recherchieren würden.
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