Irisch Republikanische Solidarität








TC

Leserbrief von FSF in den Green Pages Nr. 12


Im Artikel "Sinn Fein - wer ist denn das überhaupt?" in den Green Pages Nr. 10 stellt der Autor Sean in Frage, dass Sinn Fein eine linke Partei ist und prangert die Repu-blikaner anhand einiger uns nicht unbekannter Argumente an.
Wir als Unterstützer von Sinn Fein halten eine kritische Position gegenüber Sinn Fein gerade in einer Zeit der Erstarkung - was sich u.a. in den letzten Wahlerfolgen zeigt - und der damit verbundenen Gefahr der Oligarchisierung für relevant.
Viele der Argumente - vor allem von Leuten, die sich als die "wahren Linken" sehen - beruhen jedoch auf Unwahrheiten bzw. Verzerrungen der Realität und sind demzu-folge relativ leicht zu widerlegen, was wir im Folgenden beabsichtigen.

Sean kritisiert Erstens Sinn Fein würde eine Koalition mit Fianna Fail intendieren. Sean bezieht sich hierbei wohl auf einen Beschluß auf dem Sinn Fein-Parteitag vor 2 Jahren. Damals wurde folgendes beschlossen:
· Sinn Fein schließt eine Koalition nicht von vorne herein aus.
· Falls es zu einer Koalition kommen könnte, wird vorher ein Sonderparteitag ein-berufen, auf dem die Delegierten - nicht die Partespitze - über die Koalitionsfrage entscheiden.
Mit dieser Entscheidung wollte man Parteinahme gegen die konservativen Parteien Irlands ergreifen, die Sinn Fein ihre Ächtung u.a. dadurch ausdrücken, indem sie die demokratischen Sozialisten als nicht koalitionsfähig bezeichnen und darstellen.
Durch eine derartige Desintegrationspolitik werden die Sinn Fein-Wähler als Wähler 2. Klasse abgewertet. Obige Entscheidung drückt aus, dass man auf Grund des Vo-tums und der politischen Ausrichtung das völlig legitime Recht hat, auf demokrati-schen Wege über mögliche Koalitionen zu entscheiden.
Die grundlegende Frage ist hierbei, ob es potentielle Partner gibt, mit denen ein auf Gleichheit und Gerechtigkeit beruhender sozialer Wandel zu praktizieren ist.
Seans Worte - es gehe nicht darum, ob Sinn Fein ein Koalitionspartner für Fianna Fail ist, sondern, die eigentliche Frage sei, ob Fianna Fail ein geeigneter Koalitions-partner für Sinn Fein ist - gebrauchte Gerry Adams bereits auf dem Parteitag 2000 und wiederholte sie u.a. auf einer Wahlkampfkonferenz am 23.03.02. Zu behaupten Sinn Fein würde sich Fianna Fail anbiedern, entbehrt demzufolge jeglicher Grundlage. Im Gegenteil: Sinn Fein - und wenn Sean die Republican News regelmäßig lesen würde, wüsste er das - kritisiert die Politik von Fianna Fail vehement (mehr hierzu in der nächsten Ausgabe).

Anstatt sich als Linker über die Abstimmung der Iren gegen das Nizza-Abkommen zu freuen, kritisiert Sean Zweitens, dass Sinn Fein bei ihrer Kampagne gegen den Ver-trag nicht die Kritik an der EU als undemokratisches Instrument, sondern die Gefähr-dung der Neutralität Irlands in den Mittelpunkt stellte. Sinn Fein spricht sich jedoch in Wirklichkeit deutlich gegen eine Zentralisierung ökonomischer und politischer Macht in der EU aus. Gerry Adams gebrauchte auf der bereits erwähnten Wahlkampfkonfe-renz folgende Worte: "Wir wollen nicht, dass demokratisch gewählten Parlamenten weiter Macht entzogen und diesen nichtgewählten Bürokraten übertragen wird." Geht es noch deutlicher Sean??? Dass man bei der Kampagne gegen den Nizza-Vertrag v.a. (aber nicht ausschließlich) mit dem Verlust der Neutralität argumentierte hat zwei zusammenhängende Gründe:
1. Eine Annahme des Vertrages hätte bedeutet, dass Irland Teil der internationalen Kriegsmaschinerie wird (wahrscheinlich auch NATO-Mitgliedschaft). Den Aus-blick als Handlanger der USA in ihrer Unterstützung von Staatsterroristen wie Scharon zu fungieren als irrelevant zu deklarieren, ist wohl fehl am Platze.
2. Man wusste, dass man dadurch die besten Erfolgsaussichten hat, um den Ver-trag zum scheitern zu bringen. Der undemokratische Charakter von EU und ihrer Institutionen, den Sinn Fein vehement kritisiert, findet leider nur wenig Aufmerk-samkeit in der Bevölkerung.

Weiterhin prangert Sean die Sinn Fein Youth an. Deren Kritik an der Linksaußen Ir-lands erachtet er als kindisch. Wir geben den jungen Republikanern völlig Recht. Demnach gibt es keine allgemeingültige Definition von links. Sean bspw. definiert links sein über Klassenkampf-Theorien, was in folgender Äußerung Ausdruck findet: "Festzustellen ist, dass Sinn Fein in Nordirland nicht als linke Partei der Arbeiterklas-se agieren kann, weil sie unzertrennbar mit einer Seite im konstitutionellen Konflikt verbunden ist". Abgesehen davon, dass dies aufgrund identitätsspezifischer Grenzen unmöglich ist, was ja auch Sean erkennt, muss man sich vor Augen halten, dass sich westliche Gesellschaften sozialstrukturell grundlegend verändert haben. So ist es eben in westlichen Demokratien nicht mehr primär die Arbeiterklasse die sozial benachteiligt wird, sondern es sind eine Vielzahl oftmals heterogener Gruppierungen.
Natürlich inkludiert demokratischer Sozialismus, wie ihn Sinn Fein definiert, auch ei-ne sozial gerechte Wirtschaftspolitik. Man geht jedoch weit darüber hinaus und sieht sich als Verfechter sozialer, ökonomischer, geschlechtsspezifischer und kultureller Gleichheit.

Kommen wir abschließend zur Situation im Norden Irlands.
Der Schritt der Partizipation von Sinn Fein-Politikern an der Stormont-Regierung, welcher oftmals als Adaption an den Konservatismus der Unionisten desinterpretiert wird, ist aus unserer Perspektive als Schritt der Loslösung des pro-irischen Bevölke-rungsteils aus einer jahrzehntelangen Desintegration, ein relevanter Schritt in Rich-tung Gleichberechtigung und Schaffung eines unabhängigen Irlands anzusehen.
Sean kritisiert in diesem Kontext, dass Martin McGuinness den Lehrern im Norden keine Lohnerhöhung gewährte. Hierbei muss man sich vor Augen halten, dass derar-tige Entscheidungen immer an den Gesamtetat gebunden sind. Wir halten es für völ-lig richtig, dass Martin es präferiert, mehr Geld für den Ausbau von schlecht ausge-statteten Schulen in sozialen Problemgebieten zu verwenden, anstatt es für eine Lohnerhöhung für Lehrer auszugeben.
In einem nächsten Schritt kritisiert er indirekt die Gesundheitsministerin Bairbre de Brun, indem vorgeworfen wird, Sinn Fein würde sich nicht gegen Privatisierung von Krankenhäusern wehren. Auch dies ist falsch. Sinn Fein vertritt die Meinung, dass Ungleichheiten im Gesundheitssystem sehr deutlich die Ungleichheiten bei der Ver-teilung von Wohlstand repräsentieren. Man sieht Privatisierung als die Hauptursache für die Ungleichheiten im Gesundheitssystem an und spricht sich deutlich gegen Pri-vatisierung und staatlicher Subvention von Privatisierung aus.

Subsumierend: In Bezug auf Irland beinhaltet eine demokratisch-sozialistische Aus-richtung zwei relevante Säulen: Eine anti-imperialistische Politik und eine Politik des radikalen sozialen Wandels in Richtung Gleichheit und Gerechtigkeit. Beide Säulen sind auch die Grundpfeiler der Politik von Sinn Fein. Dies werden wir in der nächsten Ausgabe der Green Pages untermauern, wo wir (weitere) politische Inhalte der Partei vorstellen werden.

Mit sozialistischen Grüßen und Tiocfaidh ar la,
Freundeskreis Sinn Fein

Letzte Änderung:
06-Sept-03