Irisch Republikanische Solidarität








TC

Nordirisches Parlament Stormont steht erneut vor einer Suspendierung
Gegner des Friedensprozesses im Aufwind

Am Freitag, den 4. Oktober 2002, führte die nordirische Polizei PSNI Großrazzien in Häusern von Mitgliedern der irisch-republikanischen Partei Sinn Féin und in den Büroräumen der Partei im Parlamentsgebäude Stormont durch. Sie verhaftete dabei sechs Personen. Nach Aussagen der Polizei ist der Vorwurf Spionagetätigkeit. Drei Personen wurden mittlerweile angeklagt, "Informationen, die nützlich für Terroristen sind" in ihrem Besitz zu haben.

Die unionistischen Parteien übertreffen sich in Vorwürfen gegen Sinn Féin, die DUP hat bereits ihre Minister aus der gemeinsamen Regierung zurückgezogen. David Trimble hat angekündigt sein Amt als Erster Minister niederzulegen, wenn Sinn Fein nicht innerhalb von sieben Tagen aus der Regierung ausgeschlossen wird.

Die irische Regierung hat die Art und Weise der Razzia in den Büroräumen des Parlamentsgebäudes heftig kritisiert. Ein irischer Staatssekretär sprach von Methoden, wie sie nur in "semi-demokratischen" Staaten vorkämen.

Sinn Féin bezeichnet die Anschuldigungen als abwegig und verurteilt die Polizeiaktion als politische Schützenhilfe für die Friedensgegner im unionistischen Lager.

Der Friedensprozess, der durch die Abkehr der unionistischen Parteien vom Friedensabkommen derzeit in einer tiefen Krise steckt, hat durch diese Aktion einen schweren Schlag erhalten.

Stellungnahme der deutschen Irlandsolidarität


11. Oktober 2002

Als am Freitag, den 4. Oktober 2002, die nordirische Polizei mit einem Riesenaufgebot in neuer Uniform im Parlamentsgebäude Stormont einfiel, um die Büroräume von Sinn Féin zu durchsuchen, ohne überhaupt einen Durchsuchungsbefehl vorweisen zu können, war nicht zu übersehen, dass die alte RUC-Garde in diesen neuen Uniformen steckte. Lappalien wie Durchsuchungsbefehle ersetzte die Polizei in Nordirland schon immer durch hartes Vorgehen.

Das Vorgehen der Polizei gegen Sinn Féin, die derzeit in Belfast den Bürgermeister stellt und die meisten Stimmen im irischen Lager auf sich vereint, hat eine tiefe Krise ausgelöst.

Es rächt sich nun bitter, dass die britische Regierung sich bisher geweigert hat, das Minimum an Polizeireform, das das Friedensabkommen verlangt, umzusetzen.

Noch sind Polizisten, die sich schwerer Menschenrechtsverletzungen schuldig gemacht haben, im Amt. Noch existiert die Special Branch, die bis hin zu Auftragsmord ging, um unliebsame Gegner im irisch republikanischen Lager auszuschalten. Noch gibt es keinen Mechanismus, das Handeln dieser Polizei kritisch zu hinterfragen und Antworten einzufordern.

Am 28.4.2002 hat David McKittrick, langjähriger Korrespondent des Independent, Co-Autor des Buches "Lost Lifes" über die Toten der "Troubles", der keiner republikanischen Sympathien ver-dächtig ist, in einem Artikel "Polizei in Nordirland sabotiert Friedensabkommen" darauf hingewie-sen, dass hochrangige Polizeikreise mit ihren Aktivitäten gezielt den Friedensprozess unterminieren. Er schrieb:

"Sowohl (britische) Regierung wie hochrangige Polizeioffiziere in Nordirland sind überzeugt, dass Polizeioffiziere in wichtigen Rängen gegen den Friedensprozess arbeiten . Diese Polizeioffiziere haben übertriebene oder verzerrte Meldungen an die Medien gegeben, um den Friedensprozess zu stören."

Aber der Freitag-morgendliche Polizeiaufmarsch im Parlament geschah selbstverständlich aus reinem Pflichtgefühl, nicht etwa, um Sinn Fein vor der in ein paar Monaten anstehenden Parlamentswahl zu schwächen oder gar als Deckung für den Rückzug der Unionisten aus der gemeinsamen Regierung.
Traut jemand dieser Polizei, deren Polizeiaktion gerade so passend kommt, um dem Friedensprozess in einer tiefen Krise noch einen Schlag zu versetzen?

Traut jemand dieser Polizei, die aus anti-katholischem oder anti-irischem Wahn bisher nicht in der Lage war, im Laufe von über drei Jahren auch nur einen von Hunderten von pro-britischen, unionistischen Brandstiftern zu inhaftieren, die katholische, irische Viertel mit Brandbomben terrorisieren?

Die dafür mit viel Getöse Denis Donaldson, den Büroleiter der Sinn Féin verhaftet, weil er angeblich Spionagematerial im Rucksack hätte.

Die britische Regierung trägt wegen der mangelhaften und schleppenden Umsetzung der Forderungen des Karfreitagsabkommens, speziell wegen der verfehlten Polizeireform, wegen der Nachgiebigkeit gegenüber denen im britischen Apparat, die demokratische Veränderung im Norden Irlands boykottieren und die Gesetze zur Polizeireform bis zur Unkenntlichkeit aufgeweicht haben, die politische Verantwortung für die derzeitige Krise.

Gerry Adams, Präsident von Sinn Féin, hat die Vorwürfe gegen seine Partei als "politisches Theater" bezeichnet und gesagt:
"Ich bin sicher, dass im Laufe der Zeit, wenn sich die Aufregung gelegt hat, Denis Donaldson frei-gelassen wird. Ich bin auch sehr sicher, dass nach dem Ende der Missinformation und des politischen Theaters die Scherben dieses (Friedens)prozesses wieder zusammengefügt werden müs-sen. Unsere Partei wird dafür gebraucht werden."

Irland und England können von Glück sagen, dass es Politiker wie Gerry Adams gibt, für die Konfliktlösung in Irland auch in solchen Krisen an erster Stelle steht.


Diese erste Stellungnahme wird gemeinsam getragen von:

Björn Eisele und Ingrid Sträter für Friends of Sinn Féin (FSF)
Dermot O'Connor, Irlandinitiative Heidelberg
Jutta Oehring, Würzburg, Mitglied bei Amnesty International
Karen A. Krieger, Stuttgart
Peter Leonhard Sauer, Aschaffenburg
Renate Döhr, Irland Gruppe Omega, Berlin
Uschi Grandel, Save the Good Friday Agreement Coalition, Schierling


ViSdP: Uschi Grandel, Holzhaussiedlung 15, D 84069 Schierling, http://www.info-nordirland.de/

Letzte Änderung:
06-Sept-03